Es ist bekannt, dass viele Tiere die eigene Plazenta verzehren, um etwa sich selbst und den Nachwuchs vor Raubtieren zu schützen. Doch auch bei Menschen hat die Plazentophagie längst Einzug gehalten. Vor allem in den USA ist dieser Trend, nicht zuletzt durch prominente Vorbilder, sehr beliebt geworden. Ob gebraten, in Lebensmittel gemischt oder in Form von Kapseln verarbeitet: Immer mehr Frauen verzehren die eigene Plazenta, um daraus einen gesundheitlichen Nutzen zu ziehen. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es immer mehr Befürworter. Mit dieser Praktik sind jedoch einige Risiken verbunden, vor allem, wenn sich die Mutter eine Infektion mit Gruppe-B-Streptokokken zuzieht.
Plazentaverkapselung – eine lange Tradition
Die Plazenta ist ein wichtiges Organ, das an der Gebärmutterwand haftet, und das ungeborene Kind mit Nährstoffen versorgt, Schadstoffe abtransportiert sowie wichtige Hormone produziert. Nach der Geburt löst sich die Plazenta ab, und wird auf natürliche Weise ausgestoßen.
Plazenta-Verkapselung ist eine uralte Praxis, die am häufigsten aus der chinesischen Medizin bekannt ist. In diesen Kulturen wurde die Plazenta auch als vorteilhaft für die Erholung nach der Geburt angesehen. In den letzten Jahren stieg aber auch in der westlichen Welt die Nachfrage, in den USA wurde erstmal in den 1970er Jahren darüber berichtet. Die Plazenta-Verkapselung soll es Frauen ermöglichen, den Mutterkuchen auf einfache Art und Weise zu konsumieren. Dabei wird die Plazenta ausgetrocknet, pulverisiert und anschließend in Kapseln gefüllt, die wie herkömmliche Medikamente eingenommen werden.
Die Vorteile von Plazenta-Kapseln
Nach der Geburt des Kindes leiden viele Mütter unter dem sogenannten „Baby Blues”, der sich vor allem durch Stimmungsschwankungen bemerkbar macht. Dieser Zustand ist weit verbreitet, verschwindet aber für gewöhnlich wieder nach einigen Tagen. Hält er jedoch über einen längeren Zeitraum an, spricht man von einer postnatalen Depression.
Es wird davon ausgegangen, dass ein rascher Abfall der weiblichen Hormonspiegel, Erschöpfung, und eine mögliche Anämie aufgrund des Blutverlusts während der Entbindung zu den Ursachen einer postnatalen Depression zählen. Für einige Mütter bedeutet der Verzehr der Plazenta, etwas zu ersetzen, das sie während der Geburt verloren haben. Der Mutterkuchen soll aber noch andere Vorteile bieten wie etwa eine höhere Ausschüttung von Oxytocin, das dazu beiträgt, dass der Uterus wieder normale Größe erreicht sowie besseres Bonding nach der Niederkunft. Auch eine Wiederherstellung des Eisenspiegels, die Erhöhung der Milchproduktion sowie eine Verbesserung der Energie werden von einigen Frauen genannt.
Wie eine Plazentaverkapselung funktioniert
Nach der Geburt wird die Plazenta gewaschen und von Blut befreit. Danach wird sie in Dampf gegart, in Stücke geschnitten und getrocknet. Anschließend wird sie zu Pulver gemahlen und in Kapseln gefüllt. Es gibt eine steigende Anzahl von Unternehmen, vor allem in den USA, die eine Plazentaverkapselung vornehmen. Auch Hebammen bieten oft diesen Dienst an. Frauen, die darüber nachdenken, eine professionelle Einrichtung zu beauftragen, sollten sich eingehend über deren Methoden informieren, um zu garantieren, dass die Plazenta sicher behandelt wird.
Immer mehr Mütter entscheiden sich jedoch dafür, nicht zuletzt aus Kostengründen, das Prozedere selbst zuhause durchzuführen. In den USA werden mittlerweile sogar Kurse angeboten, in denen Frauen lernen, eine Plazentaverkapselung selbst zu bewerkstelligen. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem Plazenta-Globuli beliebt. Egal welche Methode verwendet wird: Wichtig ist, dass die Plazenta richtig gelagert und behandelt wird, und dass sie nur von der Mutter selbst konsumiert wird. Aus Sicherheitsgründen wird empfohlen, dass der Mutterkuchen innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt verkapselt wird.
Ein umstrittenes Thema
Auch wenn viele Frauen von den gesundheitlichen Nutzen der Plazentakapseln sprechen, gibt es kaum Forschungen, die dies belegen. Wissenschaftler der Northwestern University School of Medicine, nahmen einige der bisher publizierten Studien unter die Lupe und stellten fest, dass keine der genannten Vorteile belegt werden konnten. Eine der Studienautoren, Dr. Crystal Clark, Assistenzprofessor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Northwestern University, erklärt etwa, dass weder eine Wirkung der Plazentophagie bestätigt werden konnte, noch die Risiken eingehend erforscht wurden. Andere Forschungen stellten etwa fest, dass Frauen, die drei Kapseln pro Tag zu sich nahmen, lediglich 24 Prozent des gesamten täglichen Eisenbedarfs deckten, und sich die Mineralstoffzufuhr nur geringfügig verbesserte.
Zudem fand man heraus, dass beim Verzehr von Plazentagewebe ein erhöhtes Risiko bestand, Quecksilber, Blei und Arsen zu sich zu nehmen. Das im Gewebe enthaltene Östrogen kann sich zudem negativ auf die Milchproduktion auswirken. Da die Plazenta auch Schadstoffe enthalten kann, und keine Vorschriften zur richtigen Lagerung und Verarbeitung existieren, könnten sich für Mutter und Kind negative gesundheitliche Auswirkungen ergeben. Daher seien weitere Studien nötig. Natürlich muss jede Frau selbst eine Entscheidung treffen. Dennoch rät Clark dazu, zuerst traditionelle Methoden, die wissenschaftlich bestätigt wurden, auszuprobieren, um eine postnatale Depression zu behandeln.
Was sind Gruppe-B-Streptokokken?
Bei Gruppe-B-Strep handelt es sich um Bakterien, die in der Scheide, und im Rektum bei einem Drittel aller Schwangeren vorkommt. Eine Infektion in der Schwangerschaft kann sich jedoch gefährlich auf das Baby während der Geburt auswirken.
Nicht alle Neugeborenen von Müttern mit positivem Testergebebnis erkranken an der Infektion. Etwa eines von 2000 Babys erleidet nach der Entbindung eine Ansteckung mit Streptokokken. Zwar sind Gruppe-B-Streptokokken selten, ein Risiko bleibt jedoch. Um dem vorzubeugen, gehören Untersuchungen auf Gruppe-B-Streptokokken zum Standardrepertoire der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen.
Die Gefahren der Plazentaverkapselung
Eine der Gefahren der Plazentaverkapselung besteht darin, dass Gruppe-B-Streptokokken durch die Dampfreinigung nicht vollständig aus dem Gewebe entfernt werden. Frauen, die eine Verkapselung durchführen, laufen daher Gefahr, sich anzustecken. Das gilt auch für andere Viren wie Hepatitis, und Zika, da diese durch Dampfreinigung ebenso wenig aus dem Gewebe beseitigt werden können.
Experten sind sich deshalb weitgehend darin einig, dass eine Plazentaverkapselung nicht empfehlenswert ist. Eine gute Alternative besteht darin, mit dem Arzt offen über die Risiken einer postnatalen Depression oder anderer mit der Geburt verbundenen Problemen zu sprechen.