Eine Schwangerschaft ist ein wahres Wunder, das aber auch seine Risiken birgt. Oft haben Babys, die vor der 37. Woche geboren werden, ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Komplikationen während und nach der Geburt. Das Ausstreichen (,,Melken“) der Nabelschnur könnte jedoch die Gesundheit von Frühgeborenen positiv beeinflussen.
Ausstreichen der Nabelschnur – eine Einführung
Während der Schwangerschaft erhält das sich entwickelnde Baby sein Blut von der Mutter. Bei der Geburt verbleibt etwa ein Drittel des Blutes, das an das Kind abgegeben wurde, in der Plazenta und der Nabelschnur. Das Ausstreichen der Nabelschnur ist ein Prozess, bei dem ein Großteil dieses Blutes dem Kind nach der Geburt wieder zugeführt werden kann.
Der Vorgang des Ausstreichens ist relativ einfach. Dabei wird die Nabelschnur vom Arzt nach der Geburt nicht abgetrennt, er nimmt sie beginnend nahe an der Plazenta zwischen zwei Finger und gleitet mit sanftem Druck die Nabelschnur entlang. Dies ist weder für das Baby noch für die Mutter spürbar.
Dieser Vorgang des Streichens und der gleitenden Bewegungen transportiert die Inhalte der Nabelschnur in den Körper des Neugeborenen.
Jenes Blut, das das Baby von der Mutter erhält, ist reich an Hämoglobin und Nährstoffen. Indem das Blut von der Nabelschnur in den Körper des Kindes transportiert wird, beginnt das Leben des Säuglings außerhalb des Mutterleibs mit der bestmöglichen Versorgung.
Welchen Unterschied macht das Ausstreichen der Nabelschnur?
Frühgeborene erfahren mehr medizinische Komplikationen als Babys, die nach der Normalzeit geboren werden. Ein Baby, das zum Beispiel vor der 37. Woche das Licht der Welt erblickt, hat ein erhöhtes Risiko, an einer Anämie zu leiden. Diese Erkrankung, bei der das Blut zu wenige rote Blutzellen besitzt, kann dem Körper lebenswichtigen Sauerstoff vorenthalten.
Eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Gehirns und anderer Körperteile in der Zeit nach der Geburt können zu Entwicklungsstörungen führen, die lebenslange Folgen haben. Diese Mangelerscheinungen können sich auf motorische Fähigkeiten, Lernfähigkeiten, Gedächtnisleistung und IQ-Werte auswirken.
Das Ausstreichen der Nabelschnur könnte das Risiko für Entwicklungsstörungen abwenden, indem es das Blutvolumen bei Frühgeborenen erhöht, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Forschungen zeigen, dass Kaiserschnittbabys, deren Nabelschnur ausgestrichen wird, einen besseren Blutstrom vom Gehirn zum Herzen haben. Außerdem wird eine größere Blutmenge von ihrem Herzen zum Rest des Körpers transportiert. Mit dieser verbesserten Durchblutung wurde auch ein höherer Blutdruck in Verbindung gebracht, der bei diesen Neugeborenen beobachtet wird.
Darüber hinaus sind die Hämoglobinwerte bei durch Kaiserschnitte Geborenen nach dem Ausstreichen der Nabelschnur höher. Die Hämoglobinwerte werden mit roten Blutkörperchen besserer Qualität assoziiert.
Nabelschnur-Ausstreichen vs. verzögertes Abklemmen
Ein verzögertes Abklemmen der Nabelschnur ist das empfohlene Standardverfahren bei Babys, die durch einen Kaiserschnitt zur Welt kommen. Beim verzögerten Abklemmen wird die Nabelschnur des Babys erst abgeklemmt, wenn sie zu pulsieren aufhört. Das Pulsieren ist ein Zeichen dafür, das sich noch Blut durch die Nabelschnur auf dem Weg zum Kind befindet.
Es kann ein oder zwei Minuten länger dauern, um diesen Prozess abzuschließen. Das Ausstreichen der Nabelschnur hingegen braucht nur wenige Sekunden. Beide Praktiken erlauben es, dass das Nabelschnurblut zum Neugeborenen transportiert wird, das Ausstreichen der Nabelschnur geht jedoch schneller als das verzögerte Abklemmen.
Forschungen zeigen, dass das Ausstreichen der Nabelschnur bei Kaiserschnitt-Babys tatsächlich effektiver ist als das verzögerte Abklemmen. Bei Babys, die vor der 33. Woche geboren werden, konnten höhere Hämoglobinwerte nachgewiesen werden. Im Vergleich zu anderen Frühgeborenen, bei denen die Nabelschnur verzögert abgeklemmt wurde, brauchte die Ausstreich-Gruppe wenige Wochen nach der Geburt mit geringerer Wahrscheinlichkeit Sauerstoff.
Vaginalgeburt und Ausstreichen der Nabelschnur
Dieselben Wirkungen des Nabelschnur-Ausstreichens sind noch nicht für Frühgeburten nachgewiesen worden, die vaginal geboren werden. Studien zeigen, dass die Ergebnisse einer vaginalen Frühgeburt ähnlich sind, ob die Nabelschnur der Neugeborenen nun verzögert abgeklemmt oder ausgestrichen wird. Dies kann daran liegen, dass die Kontraktionen der Gebärmutter bei einer Vaginalgeburt stärker oder effektiver sind, sodass sie das Blut besser von der Plazenta über die Nabelschnur zum Baby transportieren.
Auch wenn der Vorgang des Nabelschnur-Ausstreichens bei Vaginalgeburten vielleicht keinen Vorteil gegenüber dem verzögerten Abklemmen bringt, werden nur 10 Prozent aller Frühchen natürlich geboren. Für die etwa 90 Prozent, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, kann das Ausstreichen der Nabelschnur langfristige positive Auswirkungen auf das Baby haben.
Schwangere Frauen, vor allem jene, bei denen ein Risiko für eine Frühgeburt besteht, und die sich für diesen Vorgang interessieren, sollten rechtzeitig mit ihrem Arzt über das Ausstreichen der Nabelschnur sprechen, damit dieser Prozess bei der Geburt erfolgen kann.