Neue Forschungen zeigen, wie anhand eines Genregulators das Geschlecht des Babys bestimmt werden kann. Dieser Genregulator kann auch darüber entscheiden, ob sich das Fortpflanzungssystem nach der Geburt anders entwickelt.
Forscher des Murdoch-Instituts für Kinderheilkunde in Melbourne machten kürzlich eine Entdeckung, die weiteren Aufschluss darüber gibt, wie das Geschlecht des Babys bestimmt werden kann. Die Wissenschaftler stellten fest, dass nicht allein die XY- und XX-Chromosomen dabei essentiell sind, sondern auch ein Regulator, der die Genaktivität des Ungeborenen steigern oder senken kann. Dieser Genregulator kann darüber entscheiden, ob das Kind letztlich männlich oder weiblich wird.
Genetische Zusammensetzung kann Geschlecht oder Störungen der Geschlechtsentwicklung bestimmen
Die Studie „Human Sex Reversal Is Caused by Duplication or Deletion of Core Enhancers Upstream of SOX9“ wurde vor Kurzem in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Brittany Croft, Forscherin am Murdoch-Institut und Doktorandin des Hudson Institute, stellte dabei die These auf, dass die Chromosomenzusammensetzung eines Babys bei der Zeugung sein Geschlecht bestimme. Das Y-Chromosom umfasse ein Gen namens SRY, das mit einem weiteren Gen namens SOX9 zusammenwirke, und so die Entwicklung der Hoden einleite, wobei große Mengen dieses Hormons erforderlich seien, damit sich die Hoden normal entwickeln. Eine Unterbrechung der Aktivität des SOX9-Gens könne zu Störungen der Geschlechtsentwicklung führen.
Intersex-Entwicklung
Eine dieser Störungen der Geschlechtsentwicklung, die einfach ausgedrückt als „Intersex“ bezeichnet wird, kommt vor, wenn bei einem Baby eine Kombination aus männlichen und weiblichen Zügen auftritt, es also nicht eindeutig ist, welches Geschlecht es besitzt. Leider ist über diese Störung, die eines von 4.500 bis 5.500 Kindern betrifft, nur wenig bekannt. Die Forscher untersuchten 44 Menschen mit dieser Anomalie, und bestimmten drei Enhancer (nicht transkribierte Gensequenzen) in nicht-kodierender DNA, die die Aktivität des SOX9-Gens bestimmten. Bei der Untersuchung der Proben stellten die Wissenschaftler fest, dass Menschen mit XX-Chromosomen und hohen SOX9-Werten Hoden statt Eierstöcke entwickelten. Umgekehrt fanden sie heraus, dass Menschen mit XY-Chromosomen und niedrigen SOX9-Werten Eierstöcke statt Hoden gebildet hatten.
Professor Andrew Sinclair, Forschungsleiter der Studie, gab an, dass sich diese Enhancer innerhalb der DNA, aber außerhalb der Gene befinden. Es handle sich um „überflüssige DNA“ bzw. „dunkle Materie“, wobei rund 90 Prozent der DNA daraus bestehe, und dass eine exaktere Untersuchung dieser Enhancer ein genaueres Verständnis der DNA generell liefern könne.
Professor Sinclair fuhr fort, dass rund 22.000 Gene von rund einer Million Enhancern kontrolliert werden würden. Ziel der Studie sei es, besser zu verstehen, inwiefern das SOX9-Gen von diesen Enhancern kontrolliert werde, ob es möglich sei, diese Enhancer zu hemmen, und ob dies zu Störungen in der Geschlechtsentwicklung führe.
Die Zukunft der Intersex-Forschung
Bislang wurden bei der Untersuchung der Ursachen für Intersex-Entwicklungen nicht-kodierende DNA-Bereiche noch nicht involviert. In Anbetracht der vorliegenden Ergebnisse wird sich dies jedoch möglicherweise ändern.
Croft gab an, dass diese Ergebnisse sehr bedeutsam seien, und das Hinzukommen und Wegnehmen von Enhancern für eine normale Geschlechtsentwicklung erforderlich seien. Man müsse auch über die Gene hinaus auf die Enhancer blicken. Sinclair pflichtet dem bei. Die dunkle Materie der DNA sei der Schlüssel zu einem besseren Verständnis im Hinblick auf Störungen der Geschlechtsentwicklung.