Eine neue Studie, die von Forschern des Zentrums für Infektionskrankheiten der Koç-Universität Isbank (KUISCID) durchgeführt wurde, enthüllt entscheidende Daten zum Risiko einer Frühgeburt, das durch die Veränderung der vaginalen Mikrobiota aufgrund von COVID-19 verursacht wird. Die Forschung begann im Frühjahr 2020, als die Pandemie ausbrach und dauerte an, bis Impfstoffe verfügbar waren. Obwohl Studien, welche die Wirkung von SARS-CoV-2 auf Frühgeburten belegen, bereits während der Pandemie von vielen Gesundheitsexperten hervorgehoben wurden, ist dies die erste Forschung, die sich auf die Ursache dieses Zusammenhangs konzentrierte. Deshalb erregte die Studie weltweit große internationale Aufmerksamkeit. Die Ergebnisse wurden im Journal of Medical Virology, einer der weltweit erfolgreichsten Fachzeitschriften auf diesem Gebiet, veröffentlicht.
Mikrobiom der Vagina und seine Bedeutung
Vaginale Mikrobiota betrifft alle Mikroorganismen, die im weiblichen Fortpflanzungssystem vorkommen. In der Vagina kommen etwa 250 verschiedene Bakterien-Arten, aber auch Pilze und Viren vor, wobei Lactobazillen vorherrschen. Diese Bakterien schützen die Scheide und verhindern dass Krankkheitserreger eindringen. Sie produzieren auch Milchsäure, die entscheidend für den Erhalt des sauren pH-Werts in der Vagina sind. Nimmt die Zahl der Lactobazillen ab, kommt die Scheidenflora aus dem Gleichgewicht und bakterielle Vaginosen können entstehen. Dabei handelt es sich um eine krankhafte Veränderung der vaginalen Mikrobiota, wobei es zu vermehrtem Auftreten von anaerob lebende Bakterienarten kommt, während aerob lebende zurückgehen. Viele Frauen klagen über einen gräulich-weißen Ausfluss, der schaumig sein kann und einen unangenehmen Fischgeruch hat. Auch Juckreiz im Scheidenbereich und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Urinieren sind möglich. Die Vermehrung von Schadorganismen in der Vagina bergen Risiken, wie zum Beispiel das Risiko für eine Frühgeburt.
Mikrobiota um 70 Prozent verändert
KUISCID Vizedirektor Prof. Füsun Can, Assoc. Prof. für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Medizinischen Fakultät der Koç-Universität und Direktor der Klinik für Perinatologie Ebru Çelik und Ph.D. Studentin Gülin Özcan untersuchte den Zusammenhang zwischen COVID-19 und der Störung des Gleichgewichts der vaginalen Mikrobiota. Ziel war es, die Frage zu klären, ob das Virus bei seiner Wirkung auf die vaginale Mikrobiota das Gleichgewicht von nützlichen und schädlichen Bakterien stört. Gemeinsam mit zahlreichen Instituten der Universität wurde ein interdisziplinärer Ansatz in einer Zeit großer Risiken, hoher Müttersterblichkeitszahlen und fehlender Impfstoffe durchgeführt. Dabei wurde die Studie trotz des Risikos mitten in der Pandemie fortgesetzt. Es wurden Proben von schweren COVID-19-Fällen genommen, die schwanger waren und im Krankenhaus der Universität Koç behandelt wurden.
Vaginalabstriche wurden auch von einer Kontrollgruppe gesammelt. Die Studie ergab, dass die Störung des Gleichgewichts der vaginalen Mikrobiota auch nach der Krankheit anhielt, und es gab signifikante Unterschiede in der Menge an pathogenen Bakterien zwischen der infizierten und der Kontrollgruppe. Die Forscher entdecken eine 70-prozentige Veränderung der Mikrobiota.
Risiko für Frühgeburten steigt
Zusätzliche Ergebnisse zu den vaginalen Schäden zeigten einen starken Beweis dafür, dass Veränderungen der Mikrobiota die Hauptursache für das erhöhte Risiko einer Frühgeburt während COVID-19 sind, das normalerweise eher die Atemwegsorgane betrifft. Laut den Experten weisen die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass die Zusammensetzung der vaginalen Mikrobiota durch die COVID-19-Erkrankung ungünstig beeinflusst wird und während einer aktiven COVID-19-Infektion eine ausgeprägte Dysbiose vorliegt. Eine bakterielle Vaginose ist ein möglicher Grund für eine Frühgeburt. Seit Beweise für die Beziehung zwischen Dysbiose in der vaginalen Mikrobiota und Frühgeburten vorliegen, kann spekuliet werden, dass einer der Mechanismen zur Erklärung der erhöhten Rate von COVID-19-assoziierten Frühgeburten vaginale Dysbiose sein könnte.
Insgesamt verursacht COVID-19 bei schwangeren Frauen eine Dysbiose in der vaginalen Mikrobiota mit einer signifikanten Verringerung der Häufigkeit von Lactobacillus-Arten. Basierend auf diesen Ergebnissen weisen die Untersuchungen darauf hin, dass COVID-19 eine ungünstige Vaginalflora fördert, die die zugrunde liegende Ursache für das erhöhte Risiko unerwünschter Schwangerschaftsausgänge wie Frühgeburten sein könnte. Diese Ergebnisse werfen klinisch relevante Fragen zur Verwendung von Mikrobiom-assoziierten Biomarkern als Risikobewertungsinstrument für Frühgeburten bei schwangeren Frauen während COVID-19 auf. Es sollten neue Studien durchgeführt werden, um mögliche Methoden zur Modifizierung der vaginalen Mikrobiota bei schwangeren Frauen mit einer COVID-19-Infektion zu untersuchen, um das Risiko unerwünschter Geburtsergebnisse zu minimieren.
Die Ergebnisse dieser Studie sollen das Bewusstsein nicht nur für die entscheidende Rolle von Impfstoffen, sondern auch für die Bedeutung der vaginalen Mikrobiota und einer frühzeitigen Behandlung schärfen. Ebru Çelik macht darauf aufmerksam, dass dieser Prozess auch dazu beigetragen hat, die Wahrnehmung der Menschen in Bezug auf ein Thema zu ändern, das in einigen Regionen als Tabu galt. Vaginale Untersuchungen sind immer noch seltener als andere systematische Untersuchungen und müssen sich bei Frauen auf der ganzen Welt erst noch durchsetzen. Die Aufmerksamkeit, die während der Pandemie auf das Thema gelenkt wurde, kann entscheidend dazu beitragen, Schwangerschaftsrisiken in Zukunft zu reduzieren.