Wann erlangt der Mensch im Laufe seiner Entwicklung ein Bewusstsein? Als der französische Philosoph René Descartes im 17. Jahrhundert von seinen Kritikern über das Bewusstsein von Säuglingen befragt wurde, schlug er schließlich vor, dass Säuglinge Gedanken haben könnten, wenn auch einfachere als die von Erwachsenen. Hunderte von Jahren später ist die Frage, wann der Mensch ein Bewusstsein erlangt, nach wie vor eine Herausforderung für Psychologen und Philosophen gleichermaßen. Wissenschaftler der Universität Birmingham schlagen nun ein neues und verbessertes Verfahren vor, mit dem Forscher herausfinden können, wann das Bewusstsein im menschlichen Säuglingsalter entsteht.
Bestimmung von Bewusstseinsmerkmalen soll helfen, festzustellen, wann Babys ein Bewusstsein entwickeln
In einem Leserbrief, der in Trends in Cognitive Sciences veröffentlicht wurde, haben Dr. Henry Taylor, außerordentlicher Professor für Philosophie, und Andrew Bremner, Professor für Entwicklungspsychologie, einen neuen Ansatz aufgezeigt, bei dem Marker für das Bewusstsein bei Erwachsenen identifiziert werden und dann gemessen wird, wann Babys in der Entwicklung eine größere Anzahl dieser Marker aufweisen.
Dr. Taylor erklärt: „Stellen Sie sich zum Beispiel vor, wir wüssten, dass bei Erwachsenen ein bestimmtes, sehr spezifisches Verhalten oder ein bestimmtes Muster der Gehirnaktivierung immer mit Bewusstsein einhergeht. Wenn wir dann feststellen können, wann dieses Verhalten oder diese Gehirnaktivierung bei Säuglingen auftritt, haben wir guten Grund zu der Annahme, dass dies der Zeitpunkt ist, an dem das Bewusstsein bei Säuglingen auftritt. Solche Verhaltensweisen und Hirnaktivierungen nennen die Forscher ‚Marker‘ des Bewusstseins.“
Diese Art von Ansatz ist dringend erforderlich, da Babys (im Gegensatz zu Erwachsenen) nicht sagen können, was ihnen bewusst ist. Laut den Forschern ist es schwer festzustellen, wann Babys ein Bewusstsein erlangen. Das liegt vor allem daran, dass Säuglinge nicht über ihre Erfahrungen berichten können. Da man sie nicht fragen kann, wann ihnen etwas bewusst wird, ist es am besten, eine breite Palette von Bewusstseinsmerkmalen zu identifizieren, die in der frühen und späten Entwicklung auftreten, und diese dann in Gruppen zusammenzufassen, was helfen könnte, den Zeitpunkt des Bewusstseins zu bestimmen.
In dem kürzlich erschienenen Artikel schlagen die Forscher vier spezifische Bewusstseinsmarker vor, von denen einige in den späten Stadien der Schwangerschaft und andere im frühen Säuglingsalter zu finden sind. Auf dieser Grundlage wird in der Studie argumentiert, dass das Bewusstsein früh entsteht (ab dem letzten pränatalen Trimester). Professor Bremner und Dr. Taylor weisen jedoch darauf hin, dass dies andere Anzeichen für das Bewusstsein außer Acht lässt. Frühere Forschungen haben eine separate Gruppe von Markern identifiziert. Dazu gehören:
– Zeigen (die Aufmerksamkeit auf ein Objekt lenken und es überprüfen). – Absichtliche Kontrolle (absichtliche Mittel-End-Koordination von Handlungen – z. B. Ziehen an einer Stütze, um einen entfernten Gegenstand zu holen). – Explizites Gedächtnis (verzögerte Nachahmung von Handlungen).
Letztes Schwangerschaftsdrittel, frühes Säuglingsalter
Laut Taylor ist eines der komplizierten Probleme, dass nicht alle Marker auf dasselbe Alter für die Entstehung des Bewusstseins hindeuten. Die von Bayne und Kollegen erwähnten Marker deuten auf ein Alter zwischen dem letzten Schwangerschaftsdrittel und dem frühen Säuglingsalter hin, während andere Marker auf ein Alter von etwa einem Jahr hindeuten. Am äußersten Ende der Skala gibt es sogar Marker, die erst mit 3 bis 4 Jahren auftauchen. Da es so viele verschiedene Bewusstseinsmarker gibt, die in der frühen und späten Entwicklung auftreten, ist es äußerst schwierig, eine Schlussfolgerung zu ziehen.
Daher ist laut den Experten ein breit gefächerter Ansatz für Marker erforderlich, einschließlich solcher, die in frühen und späten Stadien auftreten. Sie empfehlen außerdem, eine Reihe von Entwicklungsmodellen für das Auftreten des Bewusstseins in Betracht zu ziehen. So kann es beispielsweise sein, dass einige Marker in einem Cluster in der frühen Entwicklung auftauchen, während andere in einem späteren auftreten. Möglicherweise gibt es aber auch eine kontinuierliche und allmähliche Entstehung bestimmter Marker, die sich über die Schwangerschaft und das gesamte frühe Leben erstreckt.
Die Forscher glauben, dass sie durch das Clustern dieser breiten Auswahl an Markern endlich die Frage beantworten können, die schon seit Tausenden von Jahren existiert, eben jene, wann das Bewusstsein im menschlichen Säuglingsalter entsteht.