Melatonin wurde bisher hauptsächlich hinsichtlich seiner nächtlichen Ausschüttung durch die Zirbeldrüse erforscht; ein Prozess, der eng in die Regulierung des circadianen Rhythmus eingebunden ist. Das Hormon wird jedoch von einer Reihe von Zelltypen wie Astrozyten, Trophoblasten der Plazenta, Immunzellen und enterochromaffinen Zellen im Darm produziert.
Melatonin hat viele wichtige Wirkungen. Es fungiert als Antioxidans, Entzündungshemmer, Antinozizeptiv, Regulator des Immunsystems, optimiert die Funktionsweise der Mitochondrien und erzeugt körpereigene Antioxidantien. Aus diesem Grund hat das Hormon klinischen Effekt auf eine Vielzahl von Erkrankungen wie neurodegenerative und psychische Krankheiten und sogar auf die Krebsbekämpfung.
Die Melatonin-Leitungsbahnen (Leitungsbahnen, die das Melatoninsystem im Körper regulieren) sind eng mit viel erforschten Vorgängen im Darm verbunden, den Darmmikrobiomen und der Darm-Hirn-Achse. Da die Melatonin-Leitungsbahnen von der Menge an verfügbarem Serotonin als Vorläufer abhängig sind, steht ein zu niedriger Melatoninspiegel in Verbindung mit Depressionen und anderen mit Depressionen verbundenen Erkrankungen.
Die Melatonin-Leitungsbahn könnte also aufs Engste mit der Regulierung des Darms und jenen Prozessen, die die Immunreaktionen auf Entzündungen der Darm-Hirn-Achse steuern, in Zusammenhang stehen.
Und was hat das alles mit Schwangerschaft und Stillen zu tun?
Im Verlauf der Schwangerschaft produziert der Mutterkuchen eine größere Menge an Melatonin, ohne dass dies etwas mit dem circadianen Rhythmus zu tun hat. Die Melatonin-Leitungsbahnen werden also durch die Schwangerschaft aktiviert und bieten damit Vorteile für die Mutter, den Fötus und die Plazenta. Beim Geburtsprozess endet diese permanente Melatoninzufuhr durch den Mutterkuchen für die Schwangere und das Kind. Ein Aspekt bei der Entwicklung vom Fötus zum Neugeborenen ist der Verlust des kontinuierlichen Schutzes durch das Hormon aus der Plazenta.
Bis zu einem gewissen Grad wird der Verlust von Melatonin aus dem Mutterkuchen im Säuglingsalter dadurch kompensiert, dass es auch in der Muttermilch vorhanden ist. Es ist darauf hinzuweisen, dass Säuglinge keine circadiane Produktion von Melatonin aufweisen, bis sie drei bis fünf Monate alt sind, was bei vielen Frauen etwa mit dem Ende der Stillzeit einhergeht. In zahlreichen Kulturen wird das Stillen jedoch weiter fortgesetzt, manchmal sogar über das erste Lebensjahr des Kindes hinaus.
Der regelmäßige nächtliche Anstieg der Melatoninausschüttung durch die Zirbeldrüse erhöht den Melatoninspiegel der Mutter, und das Hormon wird an den Säugling weitergegeben, gemeinsam mit N-Acetylseratonin (NAS), ein natürlich vorkommender Stoff, der die körpereigene Herstellung von Melatonin aus Seratonin und andere mit Melatonin in Verbindung stehenden Stoffwechselprodukten anregt.
Folglich enthält die Muttermilch nachts mehr Produkte der Melatonin-Leitungsbahn, was dem Säugling hilft, einen circadianen Rhythmus zu entwickeln. Daher verfügt die Muttermilch nachts wahrscheinlich auch über mehr Antioxidantien, Entzündungshemmer und hat einen größeren Effekt auf die Regulierung des Immunsystems.
Angesichts der Bedeutung von Mikrobiomen des Darms für eine Vielzahl von Kinderkrankheiten und jene, die erst im Erwachsenenalter einsetzen (z.B. Stoffwechselstörungen), hat das Melatonin in der nächtlichen Muttermilch wohl einen wichtigen Einfluss auf eine große Anzahl von Krankheiten (den plötzlichen Kindstod eingeschlossen).
Da das Stresslevel der Mutter schwankt und damit auch das Vorhandensein vieler Bestandteile ihrer Milch, ist Melatonin wichtig bei der Unterdrückung der Stressfolgen für Mutter und Kind. Generell haben Veränderungen der Regulierung der Melatonin-Leitungsbahn eine wesentliche Auswirkung auf die Komponenten der Muttermilch und somit auch auf die Regulierung des kindlichen Darms und des Immunsystems.
Zusatz von Melatonin in künstlicher Babynahrung
Die Rolle von Melatonin in der nächtlichen Muttermilch und dessen Einfluss auf die anderen Bestandteile der Milch zeigt, dass die Melatonin-Leitungsbahnen auch eine direkte Rolle bei der Darmregulierung des Säuglings spielen, und damit auch bei der Entwicklung der Darm-Hirn-Achse und des Immunsystems.
Unlängst haben Forscher vorgeschlagen, Babynahrung, die speziell für die Nacht konzipiert wurde, Melatonin beizufügen, um die künstliche Nahrung der Muttermilch und deren Vorteile anzugleichen. Das Fehlen von Melatonin in künstlicher Babynahrung ist eine der Hauptabweichungen von der nächtlichen Muttermilch.
Diese Forschungen ergaben auch, dass der Zusatz von Melatonin in der Babynahrung bei Frühchen am nützlichsten ist, da es zusätzlich zu den Proteinen, Fetten und Kohlenhydraten in der Muttermilch bei den Säuglingen am effektivsten wirkt. Während des Zeitraumes, der zu einer normalen Schwangerschaftsdauer fehlte, hätte das Baby durchgehend viel Melatonin aus dem Mutterkuchen bezogen. Das zeigt womöglich, dass sämtliche Nahrung für Frühchen Melatonin enthalten sollte.
Angesichts des großen Nutzens von Melatonin und anderen Produkten der Melatonin-Leitungsbahn sind Wissenschaftler der Ansicht, dass sich das Hormon auch als äußerst hilfreich bei der Behandlung von nekrotisierender Enterokolitis (eine ernste Erkrankung, die bei Frühchen auftritt, wenn das Darmgewebe beschädigt wird) erweisen wird.
Während derzeit noch mehr Forschungen zu diesem Thema betrieben werden, lassen sich bereits Schlüsse ziehen, was die Einbeziehung der Melatonin-Leitungsbahn und dem Zusammenspiel zwischen Stillen und der Entwicklung des Darms, der Darm-Hirn-Achse und des Immunsystems angeht. Demzufolge zielt Melatonin bei wachsenden Föten und sich entwickelnden Säuglingen auf die Melatonin-Leitungsbahn beim Stillen ab und hilft dem Darm bei der Prävention von Erkrankungen, die im Säuglings-, Kindes-, und Erwachsenenalter einsetzen könnten.