Bei 12 bis 15 Prozent aller europäischen Paare tritt während der Schwangerschaft eine Rhesusfaktor-Unverträglichkeit auf. Diese kann unter Umständen für das Baby gefährlich werden.
Was bedeutet der Rhesusfaktor?
Jeder Mensch besitzt eine bestimmte Blutgruppe (A, B, AB oder 0). Der Rhesusfaktor ist ein Bestandteil von Blutgruppen und bezeichnet die vererbbare Eigenschaft der roten Blutkörperchen. Man unterscheidet dabei zwischen den beiden Typen Rh-positiv und Rh-negativ. Bei letzterem liegt ein Fehlen von roten Blutkörperchen vor. Laut Professor Willy Flegel, einem Facharzt für Transfusionsmedizin an den National Institutes of Health, sind 16 bis 18 Prozent der europäischen Bevölkerung rhesus-negativ. In den USA hingegen sind weniger Menschen davon betroffen.
Rhesusfaktor und zweite Schwangerschaft
Im Alltag ist der Rhesusfaktor wenig bedeutend, er kann jedoch während der Schwangerschaft gefährlich werden, wenn eine Unverträglichkeit zwischen dem Rhesusfaktor der Mutter und jenem des Kindes besteht; das heißt, wenn die Mutter z.B. rhesus-negativ ist und der Vater rhesus-positiv, ist es möglich, dass das Kind rhesus-positiv ist. Dies wird meist erst während der zweiten Schwangerschaft zum Problem. Wenn das Blut des Babys in jenes der Mutter tritt, bildet dieses Antikörper gegen die rhesus-positiven Blutzellen des Kindes, da sie als Eindringling gesehen werden. Da das Immunsystem diesen Vorgang speichert, ist es bei einer weiteren Schwangerschaft sensibilisiert und bildet neue Abwehrstoffe, die das Baby über die Plazenta erreichen können.
Dadurch erfolgt ein Angriff auf die roten Blutkörperchen des Kindes und zerstört diese. Für das Baby ergibt sich dadurch die Gefahr einer Blutarmut und eine unzureichende Sauerstoffversorgung im Körper. Die Folgen für den Fötus können dramatisch sein, von schweren Schäden bis hin zu einem gänzlichen Absterben. Ist die Anämie nur schwach ausgeprägt, leiden Babys nach der Geburt unter einer stärkeren Form von Neugeborenen-Gelbsucht. Weitere Auswirkungen können Blässe, eine vergrößerte Leber und Milz sowie Veränderungen des Blutbilds sein. Diese Symptome sind jedoch gut therapierbar, wenn sie nur leicht bestehen.
Anti-D-Prophylaxe ist Standardprozedere bei Schwangeren mit Rhesusfaktor negativ
Während noch vor etwa 60 Jahren eine Rhesus-Unverträglichkeit für das Ungeborene äußerst gefährlich war (10 Prozent aller Totgeburten waren damals darauf zurückzuführen), ist diese Rate heute verschwindend gering, was vor allem daran liegt, dass bei Schwangeren mit Rhesusfaktor negativ die sogenannte Anti-D-Prophylaxe zum Einsatz kommt, bei dem im Körper der Frau nach Antikörpern gesucht wird, die, sollten sie gefunden werden, weitere Untersuchungen erfordern. Bei der Erstuntersuchung bestimmt der Arzt Blutgruppe und Rhesusfaktor, falls diese noch nicht bekannt sind. Ein Antikörper-Suchtest erfolgt in der Regel zu Beginn der Schwangerschaft und zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche. Werden keine Antikörper identifiziert, verabreicht der Arzt zwischen der 28. und 30. Schwangerschaftswoche Immunglobuline, die als Antikörper gegen den Rhesusfaktor wirken und dafür sorgen, dass das mütterliche Immunsystem durch rhesus-positive Blutkörperchen nicht sensibilisiert werden kann. Nach der Geburt erfolgt eine Überprüfung des kindlichen Blutes. Handelt es sich dabei um Rhesusfaktor positiv, bekommt die Mutter eine weitere Spritze Immunglobuline verabreicht.
Risiko einer Rhesus-Unverträglichkeit durch Test vorhersagbar?
Da die Blutgruppe des Babys nur durch eine Fruchtwasseruntersuchung feststellbar ist, werden allen werdenden Müttern, die rhesus-negativ sind, Immunglobuline verabreicht, was jedoch nicht immer erforderlich wäre, da 35 Prozent aller Frauen mit dieser Blutgruppe wieder Kinder bekommen, die rhesus-negativ sind. Seit einiger Zeit gibt es daher ein spezielles Verfahren, wodurch das Risiko für eine Rhesus-Unverträglichkeit in der Schwangerschaft prognostiziert werden soll. Dabei erfolgt eine Isolation der kindlichen DNA aus dem Blut der Mutter und dieses wird anschließend im Labor auf den Rhesusfaktor untersucht. Das Ergebnis soll sehr sicher sein, da in 99,8 Prozent aller Fälle mit Rhesusfaktor positiv, sowohl der Test während der Schwangerschaft als auch jener nach der Geburt übereinstimmte. Der Vorteil eines solchen Tests besteht darin, dass rund 40 Prozent aller Schwangeren, die rhesus-negativ sind, keine Prophylaxe mehr bräuchten. Außerdem ließe sich das risikoreichere Verfahren einer Fruchtwasserpunktion vermeiden. Noch wird diese Methode nicht überall standardmäßig eingesetzt.