In früheren Zeiten haben Frauen ihre Kinder alleine entbunden. Erst ab den 1980er Jahren vollzog sich eine Wende und werdende Väter begannen ihre Frauen während der Geburt zu begleiten. Heute ist es fast selbstverständlich, dass Väter bei der Entbindung dabei sind, um ihre Partnerin zu unterstützen und den unvergesslichsten Moment mitzuerleben. In der westlichen Welt wohnen rund 90 Prozent der Männer der Entbindung bei, aber ist es wirklich immer von Vorteil, wenn das starke Geschlecht bei diesem so wichtigen, aber gleichzeitig einschneidenden Erlebnis anwesend ist?
Werdende Väter und Geburt
Eine Geburt ist anstrengend und meist mit starken Schmerzen verbunden, weswegen sie auch eine enorme Herausforderung für jede Frau darstellt. Männer fühlen sich oft hilflos in dieser Situation, da sie nicht wissen, wie sie ihre Partnerin in diesen schwierigen Stunden unterstützen können. Dabei ist es gerade für die Schwangere umso wichtiger, während der Geburt Rückhalt und Verständnis zu erfahren, um mit ihren Schmerzen und Ängsten besser umgehen zu können. Für Männer kann es jedoch schwierig sein, ihre Partnerin derart hilflos und schmerzgeplagt zu sehen und nicht viel tun zu können. Vor allem, wenn es zu unerwarteten Ereignissen oder Komplikationen während der Geburt kommt, sind werdende Väter oft überfordert. Auch die Entbindung selbst, die nicht selten mit Blut, Darmschnitt und Nachgeburt einhergeht, ist nicht immer ein schöner Anblick und kann für viele Männer traumatisch sein. Ein damit verbundenes Geburtstrauma ist das oft fehlende Sexualinteresse danach, da das Gesehene unter Umständen eine Blockade auslösen kann. Es gibt also viele Gründe, warum Männer die Geburt als nicht positiv erleben.
Studien zeigen, was die Anwesenheit des Mannes während der Geburt auslösen kann
Es wurden mehrfache Studien zu diesem Thema geführt. Eine Studie der Universitätsklinik Bonn, bei der 171 Männer nach der Geburt befragt wurden, ergab, dass fast ein Viertel dieses Ereignis als schrecklich empfand. Im schlimmsten Fall können werdende Väter nach der Entbindung sogar eine postpartale Depression entwickeln. Diese äußert sich etwa durch Traurigkeit, Schlaf- und Antriebslosigkeit sowie fehlendes sexuelles Interesse. Der renommierte französische Geburtshelfer Michel Odent hat diese psychische Ausnahmesituation bei zahlreichen Männern erlebt, die der Geburt beiwohnten und die danach vollkommen verändert waren. Laut Odent könne die Anwesenheit des Mannes während der Entbindung auch schlecht für die Frau sein, da sie sich dabei gehemmter fühle und schwerer loslassen könne. Eine andere Studie, die an der Case Western University School of Medicine in Cleveland durchgeführt wurde und 15 Jahre dauerte, zeigte, dass bei Frauen, die während der Entbindung von einer Freundin begleitet wurden, die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt auf die Hälfte sank und von diesen Frauen 60 Prozent weniger eine PDA in Anspruch nahmen. Auch die Dauer der Geburt war um ein Viertel kürzer. Die Bath University fand zudem, dass ängstliche Väter bei Kaiserschnitten ihre Frauen negativ beeinflussten, wodurch diese den Eingriff als schmerzhafter empfanden. Eine Umfrage des britischen Royal College of Midwives ergab außerdem, dass 38 Prozent der Frauen nicht den Partner, sondern eine andere Person bei der Entbindung dabei haben möchten.
Geburtsvorbereitung für Männer
Nicht nur für werdende Mütter ist die Vorbereitung auf die Entbindung immens wichtig, auch Väter sollten sich im Vorfeld darauf einstellen können, was sie während einer Geburt erwartet. Dadurch können Männer einen Eindruck gewinnen, wie eine Geburt abläuft, wie Sie die Partnerin am besten unterstützen können und wie sie sich bei unvorhergesehenen Ereignissen verhalten. Mittlerweile gibt es auch spezielle Geburtsvorbereitungskurse für werdende Väter, die in den USA bereits gang und gäbe sind. Dort können sich Männer untereinander über ihre Ängste und Sorgen austauschen, die sie gegenüber ihren Frauen nicht äußern können. Auch sollten sie sich mit der Hebamme vertraut machen und von dieser miteinbezogen werden. Diese kann Männer auch darauf vorbereiten, dass das Verhalten der Partnerin während der Geburt ganz normal ist, damit sie auf die Emotionen gefasst sind, die auf sie einprasseln könnten. Auch nach der Entbindung sollten Männer von der Hebamme betreut werden, damit sie Erlebtes besprechen und verarbeiten können.
Soll der werdende Vater nun bei der Geburt dabei sein?
Letztlich müssen werdende Väter selbst entscheiden, ob und/oder wie lange sie bei der Geburt dabei sein wollen oder, ob es vielleicht nicht sinnvoller ist, eine andere vertraute Person als Unterstützung der Partnerin für die Entbindung auszuwählen. Frauen sollten ihre Männer nicht unter Druck setzen, schließlich bringt es niemanden etwas, wenn der Mann nur aus Pflichtgefühl in den Kreißsaal mitgeht und damit überfordert ist. Umgekehrt sollten werdende Väter aber auch akzeptieren, wenn die Partnerin bei der Entbindung lieber alleine ist oder eine andere Person als Unterstützung wählt. Auch wenn eine Geburt ein einschneidendes und oft auch traumatisches Ereignis ist, bezeichnen viele Männer diesen Moment als schönste und intensivste Erfahrung ihres Lebens.